Freistadt Christiania

Christiania

Christiania

Die Freistadt Christiania ( auch Freies Christiania oder kurz Christiania) ist eine alternative Wohnsiedlung in der dänischen Hauptstadt Kopenhagen, die seit 1971 besteht. Aus Sicht der dänischen Behörden handelt es sich um eine staatlich geduldete autonome Gemeinde.

Geografie

Christiania umfasst ein 34 Hektar großes Gebiet im Kopenhagener Stadtteil Christianshavn. Das ehemalige Militärgelände der Bådsmandsstrædes Kaserne liegt auf den historischen Wallanlagen der Stadt. Geografisch gliedert sich Christiania in insgesamt 15 Gebiete:

  • Bjørnekloen (Bärenklau)
  • Den Blå Karamel (Blaue Karamelle)
  • Fabriksområdet (Fabrikgelände)
  • Fredens Ark (Friedensarche)
  • Loppebygningen (Flohhaus)
  • Løvehuset (Löwenhaus)
  • Mælkebøtten (Löwenzahn)
  • Mælkevejen (Milchstraße)
  • Midtdyssen (Mittelstapel)
  • Nordområdet (Nordabschnitt)
  • Norddyssen (Nordstapel)
  • Prærien (Prärie)
  • Psyak
  • Syddyssen (Südstapel)
  • Tinghuset (Thinghaus)

Geschichte

Baracken und Stadtbefestigung

Das Gebiet von Christiania besteht aus ehemaligen Kasernen in der Bådsmandsstræde (Bådsmandsstrædes Kaserne) und Teilen der Stadtmauer. Die Stadtmauern und die damals eigenständige Stadt Christianshavn wurden 1617 vom König Christian IV. durch die Neulandgewinnung zwischen Kopenhagen und Amager gegründet. Nach der Schlacht von Kopenhagen während des Kriegs mit Schweden wurden die Stadtmauern zwischen 1682 und 1692 unter Christian V. zu einem vollständigen Verteidigungsring ausgebaut. Die westlichen Mauern von Kopenhagen wurden während des 19. Jahrhunderts abgerissen, die Stadtmauern in Christianshavn jedoch belassen. Sie werden heute als eine der besterhaltenen Verteidigungsanlagen der Welt angesehen.

Die Baracken der Bådsmandsstræde beherbergten das königliche Artillerieregiment, das Materialkommando der Armee und Munitionslabore sowie -lager. Sie wurden nach dem Zweiten Weltkrieg wenig genutzt und standen zwischen 1967 und 1971 leer.

Der nördlich anliegende Bereich, Holmen, war bis in die 1990er Jahre der Hauptmarinestützpunkt Dänemarks. Holmen wird derzeit ausgebaut und ist die Heimat des Kopenhagener Opernhauses (nicht zu verwechseln mit dem zuvor und immer noch existierenden „Operaen“, einem Veranstaltungsort für Konzerte in Christiania) und diverser Schulen. Der Bereich weiter nördlich wird weiterhin von der Marine benutzt, er ist allerdings tagsüber für die Öffentlichkeit zugänglich.

Die äußerste Verteidigungslinie, Enveloppen, wurde (bis auf die südlichste Spitze, welche nicht Teil von Christiana ist) im christianitischen Soziolekt in Dyssen umbenannt. Sie ist durch eine Brücke über den Hauptgraben mit Christiania verbunden oder kann über einen beim Christmas Møllers Plads beginnenden Pfad erreicht werden. Vier ehemalige Lager für Schießpulver befinden sich in den V-förmigen Ausformungen der Mauer, den Redans. Sie wurden zwischen 1779 und 1780 als Ersatz für einen Lagerplatz in Østerport im Zentrum Kopenhagens erbaut, der im Jahre 1770 explodierte und dabei 50 Menschen tötete. Die Häuser wurden in Aircondition, Autogena, Fakirskolen (die Fakirschule) und Kosmiske Blomst (Kosmische Blume) umbenannt und wurden trotz Denkmalschutz leicht verändert.

Der letzte Ort in Dänemark, an dem zwischen 1946 und 1950 Exekutionen durchgeführt wurden, kann noch am zweiten Redan, nahe dem Aircondition genannten Haus, besichtigt werden. Die hölzerne Exekutierungshütte wurde abgerissen, das Estrichfundament und ein Ablauf für das Blut befinden sich allerdings immer noch direkt neben dem Weg. Insgesamt wurden 29 Kriegsverbrecher des Zweiten Weltkriegs an diesem Platz exekutiert. Der letzte Kriegsverbrecher, der am 20. Juli 1950 hingerichtet wurde, war Ib Birkedal, ein hochrangiger Gestapokollaborateur aus Dänemark.

Schutz der Häuser und des Geländes

Im Jahre 2007 beabsichtigte die Kulturarvsstyrelsen (deutsch „Kulturerbe-Behörde“) einen Teil der Militärgebäude, welche sich nun in Christiania befinden, unter Denkmalschutz zu stellen. Diese sind:

  • Den grå hal (‚Graue Halle‘), früher ein Reitstall mit einer einzigartigen Bohlendachkonstruktion, jetzt Christianias größter Veranstaltungsort
  • Den grønne hal (‚Grüne Halle‘), ursprünglich ein kleinerer Reitstall
  • Mælkebøtten (‚Pusteblume‘)
  • Das Haus des Kommandeurs, ein Haus mit Teilfachwerk
  • Die Pulverkammern aus dem 17. und 18. Jahrhundert in den Bastionen

Einige historische Gebäude wurden nach der Übernahme von Christiania leicht verändert.

Die Gründung von Christiania

Nachdem das Militär das Gebiet verlassen hatte, wurde das Gelände nur von wenigen Wärtern bewacht, und die leeren Häuser wurden sporadisch von Obdachlosen bewohnt. Am 4. September 1971 wurden die Zäune von Einwohnern der umliegenden Stadtteile eingerissen und der Bereich teilweise als Spielplatz für ihre Kinder übernommen.

Obwohl die Übernahme anfangs nicht organisiert vor sich ging, wurde sie als Protest gegen die dänische Regierung gesehen, da damals wie heute in Kopenhagen ein Mangel an bezahlbaren Wohnungen bestand.

Am 26. September 1971 wurde Christiania von Jacob Ludvigsen, einem bekannten Provokateur und Journalisten, welcher eine Zeitung namens Hovedbladet ('Das Hauptblatt') herausgegeben hat, die für junge Menschen bestimmt und unter ihnen auch erfolgreich war, als geöffnet ausgerufen. Ludvigsen veröffentlichte in seiner Zeitung einen Artikel, in welchem er und fünf andere Personen eine Entdeckungsreise in ein Gebiet machten, welches er 'Die verbotene Stadt des Militärs’ nannte. Der Artikel hat die Gründung der Freistadt weitgehend bekannt gemacht, unter anderem schrieb er unter der Überschrift Zivilisten erobern die ‚verbotene Stadt‘ des Militärs:

Ludvigsen war Mitautor von Christianias Leitbild von 1971, in welchem folgendes steht:

Der Geist von Christiania entwickelte sich schnell in Richtung Hippiebewegung, Hausbesetzertum, Kollektivismus und Anarchismus, im Kontrast zu der vorherigen militärischen Nutzung des Geländes.

Das Protestlied I kan ikke slå os ihjel (übersetzt: „Ihr könnt uns nicht töten“), geschrieben im Jahre 1976 von Tom Lunden von der Flower Power Rockgruppe Bifrost, wurde die inoffizielle Hymne von Christiania.

Die Gemeinschaft

Meditation und Yoga waren unter Christianiten von Anfang an beliebt, und Christiania hat seit vielen Jahren seine eigene international gefeierte Theatergruppe „Solvognen“ („Der Sonnenwagen“), welche neben ihren Theateraufführungen auch viele Ereignisse in Kopenhagen und in Schweden veranstaltet hat. Ludvigsen hatte immer von der Akzeptanz von Drogensüchtigen gesprochen, welche nicht länger mit der regulären Gesellschaft zurechtkommen, und an diesem Glauben hat sich bis heute nichts geändert, obwohl viele Probleme durch den Gebrauch von Drogen entstanden sind (allerdings hauptsächlich „harter Drogen“, welche trotzdem in Christiania nicht toleriert werden). Diese Abhängigen kommen nach Christiania und bleiben dort und werden in der Ethik der Freistadt als genauso wesentlich wie die mit Unternehmungsgeist angesehen. Aus diesem Grund wird Christiania von vielen Dänen als gelungenes Experiment angesehen. Für viele Jahre war der rechtliche Status der Freistadt allerdings in der Schwebe, da verschiedene dänische Regierungen versucht haben, die Einwohner aus Christiania zu vertreiben. Die Versuche waren bis jetzt allerdings erfolglos.

Christiania ist deshalb eine der größten Touristenattraktionen in Kopenhagen und im Ausland weitläufig als „Marke“ für den progressiven und freien Lebensstil der Dänen bekannt. Auch viele dänische Unternehmen und Organisationen verwenden Christiania als Vorzeigeort für ihre ausländischen Freunde und Gäste. Der Zweck ist ihnen etwas 'Dänisches’ zu zeigen, welches man an keinem anderen Ort der Welt findet.

Die Regeln verbieten (wie im übrigen Dänemark auch) Diebstahl, Gewalt, Feuerwaffen, gefährliche Messer und harte Drogen. Kugelsichere Westen sind ebenso unerwünscht wie die Abzeichen von Motorradclubs wie Hells Angels und Bandidos, die mit dem organisierten Verbrechen in Verbindung stehen.

Die Region hat mit dem dänischen Verteidigungsministerium (dem noch immer das Gelände gehört) im Jahre 1995 eine Übereinkunft getroffen. Seit 1994 haben die Bewohner Steuern und Gebühren für Wasser, Strom, Müllentsorgung und andere Nebenkosten gezahlt.

Die Zukunft des Gebietes war lange Zeit unsicher, da die dänischen Autoritäten die Beseitigung von Christiania anstrebten. Nach der Einigung der Bewohner mit der dänischen Regierung, das Gebiet käuflich zu erwerben, scheint Christiania nun doch zu einer gesicherten Existenz gefunden zu haben.

Pusher Street

Christiania ist bekannt für die sogenannte Pusher Street (‚Dealer-Straße‘), in der an Buden öffentlich Cannabis verkauft wird. Der Handel ist bei den Bewohnern Christianias umstritten, allerdings kann er laut den selbst gegebenen Regeln der Siedlung nicht abgeschafft werden, solange nach dem Konsensprinzip nicht jeder sein Einverständnis dazu gibt. Seit einiger Zeit geht auch die Polizei verstärkt gegen den Drogenhandel vor. So wurden im ersten Halbjahr 2018 insgesamt acht Razzien durchgeführt, bei denen 400.000 Euro sowie 200 Kilogramm Cannabis beschlagnahmt wurden. Bereits Ende 2017 hatten die Behörden bei einer dreitägigen Aktion rund 30 Kilo Haschisch, 10.000 Joints sowie diverse andere Drogen sichergestellt.

Flagge

Die Flagge der Freistadt Christiania ist ein rotes Banner mit drei gelben Punkten. Diese Punkte repräsentieren die „i“-Punkte in „Christiania“. Als die ersten Hausbesetzer die verlassene Militäranlage besetzten, fanden sie eine große Menge roter und gelber Farbe und wählten diese Farben daher für ihre Flagge.

Eine weitere Interpretation der Punkte ist der Wahlspruch der Freistadt „Freiheit, Gleichheit, Brüderlichkeit“ oder, wie einige auch sagen, „Frieden, Liebe und Harmonie“.

Kontroversen seit 2000

In und um Christiania gibt es in letzter Zeitzunehmend Proteste und Konflikte, zum Teil als Konsequenz zu den Plänen der Regierung, den Bereich in die Stadt einzugliedern.

Fernsehbeitrag von 2004

Die politische Satiresendung Den halve sandhed („Die halbe Wahrheit“) drehte am 26. März 2004 eine Episode in Christiani…

Text entnommen ausWikipedia - Freistadt Christiania unter demCC-BY-SA-3.0 auf30 Juli 2021

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